Freitag, 19. Juli 2013

Neues aus dem Kienbergtower - Juli 2013

Die Zeiten sind gerade ziemlich verrückt, echt mal. Oder besser: ziemlich anstrengend. Seit ich hier in diesem Tower wohne, bin ich dabei, mir meine gute Kinderstube abzugewöhnen. Hätte ich vielleicht doch nicht in ein Haus mit lauter Eigentumswohnungen, die zudem noch recht zahlreich von ihren Eigentümern bewohnt werden, ziehen sollen? Ständig hat jemand hier etwas sehr Wichtiges von sich zu geben. Der Hausmeister,  die Concierges (also Pförtner), Mieter, die vielleicht nichts besseres zu tun haben...Sie alle tragen eine ungeahnt schwere Last der Verantwortung für das Allgemeinwohl auf ihren Schultern. Wieso? Nun, Ole ist in den Kienbergtower eingezogen. Schon als Welpe von 4 Monaten. Von Anbeginn läuft Ole im Haus zwar an der Leine, aber ohne Maulkorb. Wie übrigens alle Hunde hier, von denen es fast mehr gibt, als Kinder. Das Spannende an der ganzen Geschichte jedoch ist, dass nur wir, also der Ole und ich, wegen des fehlenden Maulkorbes angesprochen werden. Nein, das ist eigentlich nicht ganz korrekt. Ich muss es so sagen: Die Mieter beschweren sich bei den Concierges und die wiederum übermitteln es mir. Inzwischen habe ich alle Pförtner gebeten, diesen Kinderkram sein zu lassen und die Mieter zu mir zu schicken. Das Fazit ist, dass einer der Pförtner sich in seiner Ehre verletzt fühlt und mir die Türen nicht mehr öffnet. Oder mich laut vor Dritten maßregelt und mir hinterher ruft, dass der Hund doch einen Maulkorb tragen sollte…Ein weiteres Fazit ist, dass die Verwaltung mir einen netten Brief geschrieben hat, in dem sie mir mitteilt, dass sich jemand beschwert hätte, weil der Hund ohne Leine und Maulkorb durch das Haus liefe und ich sollte doch meiner Pflicht und Vorbildwirkung als Eigentümer nachkommen…Nun bin ich also schon zum Eigentümer aufgestiegen – wieso auch nicht?
Aber wieso ich allein? Ich habe die anderen Hundebesitzer gefragt, von denen wird und wurde noch nie jemand auf einen fehlenden Maulkorb angesprochen. Das einzige, was an Ole auffällig ist, ist seine Größe. Ansonsten benimmt er sich völlig unauffällig. Er kläfft nicht, läuft artig neben mir an der Leine, ignoriert alle Menschen außer jene, die ihn ansprechen, denn in diese verliebt er sich auf der Stelle. Er geht als großartiges Vorbild für all die Kläffer und Wadenbeißer durch, mit denen ich schon im Fahrstuhl gestanden habe. Mir wurde so manches Mal echt mulmig, wenn diese Fußhupen loslegten.
Bereits als Ole 4 Monate alt war, sprach mich so ziemlich um Mitternacht, wir kamen von der letzten Hunderunde des Tages, eine Mieterin im Fahrstuhl an und teilte mir im Brustton der Überzeugung mit, dass der Hund einen Maulkorb bräuchte. Ich war ja etwas verwundert über diese Ansage, denn die Dame stieg um Mitternacht zu mir in den Fahrstuhl, nicht wir zu ihr. Sie hätte nur 10 Sekunden auf den nächsten warten müssen. Ich hatte diese Frau noch nie zuvor zu Gesicht bekommen. Um Mitternacht läuft mein Verstand nicht mehr auf Hochtouren. Ein Glück, wer weiß, was mir sonst so passendes eingefallen wäre auf diese Ansage. So fiel mir nur ein, ihr mitzuteilen, dass dieser Hund ein Welpe wäre und mit Sicherheit von mir KEINEN Maulkorb um bekäme.
Letztens, wir waren auf dem Weg zum Fahrstuhl (Ole ist inzwischen 1 Jahr alt), betrat ein Mieter das weiträumige Foyer und sprach – wahrscheinlich wohl zu mir - von hinten und im Vorbeigehen etwas wie „…Maulkorb…“. Der Pförtner, der mir gerade einen Zettel in die Hand drückte, fiel gleich darauf ein: „Ja, das hab ich ihr auch schon ein paar Mal gesagt!“ und schaute dem Mann beifallheischend hinterher. Er bekundete damit wohl seine umsichtige Arbeitsweise für das Allgemeinwohl in diesem Haus und war auf der Suche nach einem Verbündeten. Besser ist, dachte er sich wohl, denn er bekommt sein Gehalt ja von all diesen Eigentümern. Ich kannte diesen Mieter zwar nicht, aber ich bin ziemlich sicher, dass er einer dieser Wohnungseigentümer ist. Ja, die sind schon sehr speziell hier. Das kannte ich vorher so nicht. Dieser Mann also quetschte sich dann mit uns und den Worten „Jetzt hab ich aber ein Problem“ in den Fahrstuhl, während der andere gegenüber leer blieb. Und so hörte ich mir auf dem Weg nach oben an, dass ich meine Kündigung bekäme, er würde dafür sorgen und ich würde von ihm hören. Oh ja, das glaube ich sogar aufs Wort! Ich bin nun gespannt und warte auf das, was da kommt. Möge inzwischen Gott mit diesem Eigentümer sein. Ich segne ihn und wünsche ihm, dass er einen geeigneten Therapeuten für alle Probleme findet, die ihn quälen. Amen.

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